Wo früher in der Bergstraße 8 ein kaum beachtetes, mit Verputz und einer unansehnlichen Kunststoffverkleidung versehenes Haus stand, präsentiert sich seit Juni 1995 nach einer umfassenden Renovierung durch den Kultur- und Heimatkreis Rechtenbach ein schönes Fachwerkhaus, "Gottfrieds Haus" genannt. Von drei Seiten ist das eichene Fachwerk des im Jahr 1807 erbauten Eckhauses sichtbar. Zwar weist es nicht solche reichen Verzierungen auf wie die Fachwerkhäuser in den Dörfern des südlichen Hüttenberg, doch kann man an der Längsseite zu "Uhls Weg" hin den "Hessenmann", eine typische Figur des heimischen Fachwerkbaus, erkennen.
Im Inneren des Hauses finden wir eine Raumaufteilung vor, die bei vielen Bauernhäusern in Rechtenbach gleich war: man betritt das Haus ebenerdig vom Hof aus durch eine zweigeteilte Haustür, vom Flur aus (Hausgang genannt) geht es unter der Holztreppe, die ins Obergeschoß führt, hinunter in den Keller. Typisch für viele Bauernhäuser in Rechtenbach ist, dass nur eine Hälfte des Hauses unterkellert wurde. Aus schweren Bruchsteinen gemauert, lagerten hier im Winter die Feld- und Gartenfrüchte und im Sommer hielten sich hier die Milch, die Butter und der Käse frisch.
Dem Eingang gegenüber befindet sich die Küche. Früher stand hier ein gemauerter Herd. Über dem offenen Feuer wurde das Essen für Menschen und Tiere zubereitet, und durch die Esse musste der Rauch den Weg durch den Kamin finden. Im Lauf der Zeit wurde die offene Feuerstelle durch einen geschlossenen Herd mit direktem Kaminanschluß ersetzt. Vom Flur aus geht man über eine Stufe in die zur Straße hin gelegene 20 m² große Stube. Sie erstreckt sich über die gesamte Hausbreite und hat nach drei Seiten Fenster, zum Teil noch mit der originalen Bleiverglasung. Der Fußboden besteht aus Dielen und die Wände haben eine umlaufende halbhohe Holzvertäfelung.
War die Familie groß, stand für die Eltern oder Großeltern noch ein Bett in der Ecke.
Im Winter spielte sich das Leben in der Stube ab, der Flachs und die Wolle wurden versponnen, Körbe aus Weiden geflochten und die landwirtschaftlichen Geräte ausgebessert. Samstags wurde der Dielenfußboden gescheuert und mit weißem Sand bestreut.
Im Obergeschoß befindet sich über dem Wohnzimmer das große Schlafzimmer, in dem die Eltern mit den kleineren Kindern schliefen. Über der Küche liegt noch eine kleine Kammer. Ein Teil davon war abgeteilt und diente als Räucherkammer, der übrige Teil als Schlafzimmer, in dem gerade ein Bett und vielleicht noch eine Truhe Platz hatten. Die Einrichtung war früher eher spärlich: eine lange Holzbank, ein paar einfache Stühle, ein Tisch und der Ofen waren meist alles, was man hatte.
Wer dieses Haus erbaut hat kann man in der freigelegten Inschrift an der Giebelseite nachlesen: "Dieses Haus hat erbaut Johannes Loh und seine Ehe Frau Anna Elisabetha ist erhoben worden ten 20 Juli w meister Georg Ott 1807"
Johannes Loh (1780-1848) war gebürtiger Rechtenbacher und von Beruf Zimmermann. Sicher war er damals mit seinen 27 Jahren noch nicht Zimmermeister, da die Inschrift Georg Ott als Werkmeister benennt. Seine Frau Anna Elisabetha, geb. Jacobi stammte aus Dornholzhausen. Das Ehepaar hatte sieben Kinder, die in den Jahren 1805 - 1823 geboren wurden und, was für die damalige Zeit ungewöhnlich war, alle die Kindheit überlebten. Drei Kinder heirateten vermutlich in andere Dörfer. Der älteste Sohn Kaspar heiratete sehr spät und hinterließ keine Kinder, seine beiden Brüder Johannes und Konrad starben mit 22 und 23 Jahren.
Der Lebensweg des jüngsten Bruders Anton lässt sich nicht verfolgen, fest steht nur dass er nicht in Rechtenbach heiratete und auch nicht dort gestorben ist. So kam es, dass das Haus nicht im Besitz der Familie blieb, sondern an den Ackerer und Tagelöhner Gottfried Hofmann (1819 - 1909), einem Neffen des Erbauers, verkauft wurde. Gottfried war verheiratet mit Elisabeth Margaretha, geb. Dahl (1625 - 1848), die schon sehr früh bei der Geburt ihres zweiten Kindes starb. Da auch das Kind nicht überlebte, erbte der einzige Sohn Friedrich (1847 - 1931) den Besitz. Zusammen mit seinem Vater baute er die Landwirtschaft weiter aus, was sich mit noch vorhandenen Urkunden über Landkäufe belegen lässt. Im hohen Alter von 84 Jahren, wenige Wochen vor seinem Tod im Jahr 1931, ließ er noch eine Warmwasserheizungsanlage, bei der mit dem Küchenherd alle Räume beheizt wurden, für insgesamt 855,40 RM einbauen. Das Heizungssystem ist bis heute intakt, allerdings wird es jetzt mit einem Gasbrenner beheizt.
Aus seiner 1874 geschlossenen Ehe mit Elisabeth Olbrich aus Volpertshausen hatte Friedrich Hofmann eine Tochter, Maria ( 1875 - 1942), die 1914 Georg Karl Medebach heiratete. Da dieser bald nach der Hochzeit in Frankreich fiel und die Ehe kinderlos blieb, vermachte Maria Medebach ihr Gehöft an Wilhelm Hund, der jahrzehntelang bei ihr in der Landwirtschaft arbeitete. Auch die Ehe von Wilhelm Hund blieb kinderlos und nach dem Tod seiner Frau Sofie bewohnte er das Haus allein. Nachdem er die Landwirtschaft aufgegeben hatte zog er zu seiner Schwester. Nach seinem Tod wurde das jahrzehntelang ungenutzte Anwesen von der Familie Erwin Jung gekauft. Da die Familie Jung mehr an der Nutzung der Scheune und Stallungen interessiert war, konnte der Kultur- und Heimatkreis Rechtenbach das Wohnhaus und einen Teil der Nebengebäude erwerben. In unzähligen freiwilligen Arbeitsstunden der Vereinsmitglieder und mit Hilfe von Rechtenbacher Handwerkern und Firmen konnte nun in dreijähriger Renovierungszeit "Gottfrieds Haus" zu einem geschichtlichen Zeugnis für das Bauernhaus im 19. Jh. gestaltet werden. Ziel des Kultur- und Heimatkreises ist es, zusammen mit der Familie Jung aus dem Anwesen einen lebenden Bauernhof zu erhalten und für vielfältige Aktivitäten zu nutzen.
Bergstraße 8
35625 Hüttenberg